Bei Spannungen in den Finanzmärkten stellt der japanische Yen häufig einen guten sicheren Hafen dar, wovon man in den letzten Wochen jedoch nur wenig merken kann. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer schwächt die Währung genauso wie der Coronavirus.
Die Sorgen bezüglich der schnellen Ausbreitung des Coronavirus sind auch sehr deutlich in der Finanzwelt zu spüren. Die meisten Aktienindizes sind in den letzten Tagen um 5 % oder noch viel mehr gefallen. Investoren suchen den Schutz, den Investitionen bieten, weil sie in unsicheren Zeiten ihren Wert behalten. Gute Beispiele dafür sind Gold, Staatsanleihen solider Länder wie Deutschland und Währungen wie der Dollar und der Schweizer Franken. Dieser Aufzählung konnte bislang fast immer auch der japanische Yen hinzugefügt werden, nur macht dieser jetzt ebenfalls eine starke Talfahrt durch. In den ersten drei Februarwochen ist der Wert des Yen gegenüber dem Dollar um ganze 3 % zurückgegangen. Was verbirgt sich hinter dieser auffälligen Kursbewegung?
Empfindlicher Moment
Ein Teil des Kursverlustes ist deutlich den Sorgen über den Coronavirus zuzuweisen. Nach China ist jetzt auch Japan das Land, in dem anfänglich die meisten Infektionen festgestellt wurden. In den letzten Wochen ist die Zunahme allerdings etwas stagniert. Am 27. Februar waren in Japan 207 Fälle von Coronavirus bekannt, was beträchtlich weniger als in Südkorea (1.766) oder Italien (470) ist. Die japanische Wirtschaft wird indirekt stark vom Ausbruch des Coronavirus getroffen. China ist mit Abstand der wichtigste Handelspartner. Japan ist gleichzeitig ein beliebtes Urlaubsland für chinesische Touristen, die jetzt in großen Mengen zu Hause bleiben. Laut des japanischen Touristenbüros verzichten alleine schon in der Zeit bis Ende März mehr als 400.000 Chinesen auf ihren Japanurlaub. Die wirtschaftliche Wachstumsverzögerung, die sich jetzt abzeichnet, findet außerdem zu einem sehr empfindlichen Moment statt.
Wirtschaft stark verschlechtert
In der letzten Woche wurde bekannt, dass die japanische Wirtschaft im letzten Quartal 2019 um ganze 6 % zurückgegangen ist. Diese starke Verschlechterung kam nicht überraschend. Im Oktober letzten Jahres wurde die Mehrwertsteuer des Landes von 8 % auf 10 % erhöht. Die Japaner haben bereits in den vorherigen Monaten weitmöglichst kapitalintensive Käufe wie beispielsweise Käufe von Autos und Haushaltsgeräten getätigt, um zu vermeiden, dass sie später einen höheren Preis dafür zahlen müssten. Bei einer früheren Erhöhung der Mehrwertsteuer im Jahr 2014 war es in der japanischen Wirtschaft bereits schon einmal zu einer Rezession gekommen. Durch das Auftreten des Coronavirus droht dies jetzt erneut einzutreten. Mit einem Rückgang des Yen bis auf die unterste Stufe innerhalb fast eines Jahres sind die Auswirkungen bereits auch in der Welt der Währungen zu spüren.
Schwere Rückschläge
Die Tatsache, dass der Yen stark getroffen wurde, ist jedoch kein Signal dafür, dass die Währung den Status eines sicheren Hafens verloren hat. Allerdings ist sie ein Hinweis darauf, dass sich die Welt der Währungen in unsicheren Zeiten nicht immer eben auf die Währung verlassen kann. Obwohl der Ausbruch des Coronavirus ein temporäres Phänomen ist, kann es sehr gut möglich sein, dass die japanische Mehrwertsteuer in Zukunft weiter steigen wird. Das Land hat mit einer Überalterung der Bevölkerung und mit einer gewaltigen Staatsverschuldung zu kämpfen, für deren Tilgung die Regierung die Staatseinnahmen auf einem bestimmten Niveau halten oder vorzugsweise stark erhöhen muss. Die OECD hat Japan sogar empfohlen, die Mehrwertsteuer schrittweise auf 20 % oder sogar 26 % zu erhöhen. Wenn Premierminister Shinzo Abe dieser Empfehlung folgt, wird der Yen auch in Zukunft noch einige starke Rückschläge hinnehmen müssen.
Joost Derks ist Währungsspezialist bei iBanFirst. Er verfügt über mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in der Welt der Währungen. Diese Kolumne spiegelt seine persönliche Meinung wider und stellt keine professionelle (Anlage)-Beratung dar.
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