Am 12. Juli erreichte der EUR/USD zum ersten Mal seit 2002 die Parität. Der Rückgang des Euro ist damit unserer Meinung nach noch nicht beendet. Wir gehen davon aus, dass das Paar bis zum Jahresende unter 0,90 fallen könnte.
Für die Abwertung des Euro sind vier Hauptfaktoren verantwortlich:
- Die Angst vor einer weltweiten Rezession, die den Rückzug auf sichere Häfen, vor allem den US-Dollar, verstärkt;
- Das geldpolitische Gefälle zwischen beiden Seiten des Atlantiks. Wir rechnen damit, dass die Europäische Zentralbank aufgrund der Konjunkturabschwächung in der Eurozone gezwungen sein wird, ihre geldpolitischen Straffungsambitionen zurückzuschrauben. Im Gegensatz dazu dürfte die US-Notenbank ihren Kurs fortsetzen und die Leitzinsen in diesem Jahr massiv anheben;
- Dem Euroraum droht in diesem Winter eine schwere Energiekrise. Sogar die Industrie könnte teilweise zum Stillstand gebracht werden. Dies ist ein konjunkturelles Problem, das jedoch für alle ausländischen Investoren, mit denen wir uns in den letzten Wochen ausgetauscht haben, zu einem wichtigen Thema wird;
- Das deutsche Wirtschaftsmodell, das sich jahrzehntelang auf den Zugang zu billiger Energie aus Russland stützte, ist jetzt hinfällig. Deutschland ist damit das Sorgenkind der Eurozone. Dies ist eine schlechte Nachricht für alle Mitgliedstaaten. Es ist ein strukturelles Problem, das das Wachstumspotenzial der Eurozone lange Zeit belasten und vor allem außereuropäische Investoren dazu veranlassen wird, anderen Wirtschaftsräumen den Vorzug zu geben, die mittelfristig als aussichtsreicher gelten (wenig überraschend die USA).
Was ist in den kommenden Monaten zu erwarten?
Dagegen halten wir das Risiko einer Fragmentierung der Eurozone (höhere Kreditkosten für Italien, die eine neue Krise der Eurozone auslösen könnten) nicht für einen Erklärungsansatz für den Fall des Euro. Die Anleger glauben nicht an ein solches Szenario. Stattdessen sind sie der Ansicht, dass Europa einem größeren Armutssrisiko ausgesetzt ist (außer Kontrolle geratene Inflation und eine beispiellose Energiekrise). Wir neigen dazu, diese Befürchtung zu teilen.
Unter diesen Umständen sehen wir kaum etwas, was eine nachhaltige Erholung des Euro ermöglichen könnte (über einen potenziellen technischen Rebound hinaus). Die nächste größere Preiszone, auf die man achten sollte, liegt bei 0,90. Sie könnte im Falle einer Energiekrise und einer Verknappung in den kommenden Monaten durchbrochen werden.