In der Rezession?
In gerade mal sechs Monaten haben wir das Risiko einer Stagflation (hohe Inflation im Vergleich zur Vergangenheit und niedriges Wachstum) gegen das Risiko einer Rezession (zwei aufeinanderfolgende Quartale mit einem Rückgang des BIP) ausgetauscht. Das ist beeindruckend. Die Stagflation war günstig für den US-Dollar. Auch in der Rezession wird der US-Dollar mit Sicherheit von der Entwicklung der Devisenströme profitieren. Wir beobachten Abflüsse aus Europa und Japan, die erneut dem US-Markt (dem größten Verbrauchermarkt der reichen Länder) zufließen werden, sodass der Wechselkurs des US-Dollars gestützt wird. Daher überrascht es nicht, dass der US-Dollar gegenüber verschiedenen anderen Währungen eine gute Performance verzeichnet hat. So hat er gegenüber dem Euro beispielsweise einen zweiwöchigen Höchststand erreicht. Doch ist das erst der Anfang. Die Aufwertung des US-Dollars schwächt mehrere Wirtschaftszonen (die Währungen von asiatischen Ländern sind trotz der Intervention seitens der Zentralbanken in der Region eingebrochen). Im Laufe des Sommers ist also größtenteils damit zu rechnen, dass die Volatilität erheblich bleibt. In Europa ist eine Rezession sicherlich unwahrscheinlich. Dieses Risiko ist in den USA höher, aber es gibt keine kürzlich veröffentlichten Indikatoren (so sind die in der vergangenen Woche veröffentlichten Aufträge für Investitionsgüter besser ausgefallen als erwartet, um nur ein Beispiel zu nennen).
Am Devisenmarkt findet gerade eine „Flucht in Richtung Qualität“ statt. Das heißt, dass die Fluchtwerte von den Marktteilnehmern aufgewertet werden, und das gilt insbesondere für den wichtigsten von ihnen, den US-Dollar. Bei genauer Betrachtung der Kapitalflüsse auf den Devisenmärkten fällt auf, dass die die Long-Positionen (Käufe) für den Dollar gestiegen sind. Allerdings noch kein Überkauf (der theoretisch ein mögliches Zeichen für eine Trendumkehr wäre). Drei Hauptfaktoren erklären die Aufwertung des US-Dollars (die wir als beständig einschätzen): das Risiko einer eingangs erwähnten Rezession (wobei es derzeit unerheblich ist, ob dieses Risiko tatsächlich besteht oder nicht), die deutlich abweichende Geldpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks (in den Vereinigten Staaten werden die Zinsen im Juli um 75 Basispunkte angehoben, während es in der Euro-Zone zunächst nur um zaghafte 25 Basispunkte nach oben geht) und die stärkere Dynamik des US-Wachstums im Vergleich zur Eurozone. Vor diesem Hintergrund dürfte der US-Dollar gegenüber dem Euro weiterhin überdurchschnittlich gut abschneiden. Es ist schwer zu sagen, ob die Parität in diesem Jahr erreicht wird (viele Devisenmarktanalysten haben mittelfristig dieses Ziel genannt). Was allerdings mit Sicherheit gesagt werden kann, ist, dass der Rückgang anhalten wird. Unser erstes Ziel liegt bei 1,0257 (das als Unterstützung dient).
Die Inflation ist nach wie vor noch nicht verschwunden. Man muss sich ja nur anschauen, was in Großbritannien passiert. Trotz fünf Zinserhöhungen in jüngster Zeit liegt die Inflation bei über 11 %. Auch die Bank of England (BoE) scheint nicht sagen zu können, wann sie aufhören wird. Vielleicht steht die härteste Zeit noch bevor. Laut OECD dürfte das BIP-Wachstum in diesem Jahr 3,6 % betragen. Das ist eine ausgezeichnete Performance. Im Jahr 2023 dürften die Auswirkungen der Inflation in Kombination mit den schärferen monetären Bedingungen jedoch zu einer Stagnation der Wirtschaft führen. Es ist bekannt, dass Zinserhöhungen einige Zeit brauchen, bis sie sich auf die Realwirtschaft auswirken. Ebenso ist auch das Rezessionsrisiko nicht ausgeschlossen. So lässt sich der Rückgang des Pfund Sterling im Juni zum Teil mit den zahlreichen Enttäuschungen der britischen Wirtschaft erklären. Hinzu kommen die Spannungen rund um das Referendum über die Zugehörigkeit Schottlands zum Vereinigten Königreich im Jahr 2023. Dabei handelt es sich um einen entfernten politischen Risikofaktor (den die Teilnehmer auf den Devisenmärkten nicht so früh berücksichtigen). Langfristig wird er sich jedoch negativ auf das britische Pfund auswirken.
Japan wünscht sich eine starke Währung (um die Kosten für Energie-Importe zu senken). Diese Haltung wird ganz offen kommuniziert. Allerdings ist das kein echter Erfolg. Im Juni hat der Yen (JPY) gegenüber dem Euro um knapp 3,30 % nachgelassen. Es gibt nur eine Lösung, um den Yen nachhaltig zu stärken: Die Rendite von japanischen Staatsanleihen muss erhöht werden, was dazu führen würde, dass Kapital bei der Suche nach Rendite ins Land gelockt wird. Indirekt würde das den Wechselkurs des JPY unterstützen. Wobei dieses Ziel nicht unmittelbar bevorsteht. Wir gehen daher von einer weiteren Abschwächung des Yen am Devisenmarkt aus. Japan könnte versuchen, direkt an den Devisenmärkten zu intervenieren (in den Handelsräumen wird davon seit mehreren Wochen gesprochen). Wir sind jedoch der Meinung, dass dieser Schritt nicht erfolgreich sein wird.
Die Inflation ist weitgehend an die Energie gekoppelt (die in die meisten Länder importiert wird). Im Kampf gegen die importierte Inflation braucht man eine starken Währung. Um eine starke Währung zu haben, kann man versuchen, direkt am Devisenmarkt zu intervenieren. Mittelfristig ist das häufig ein teurer Schritt und nur selten effizient. Ebenso kann auch beschließen, die Leitzinsen zu erhöhen. So hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihren Leitzins um 50 Basispunkte erhöht. Mit direkter Auswirkung auf den Wechselkurs. Der Schweizer Franken hat seither stark aufgewertet. Das Paar EUR/CHF ist Ende Juni sogar unter die Parität gerutscht. Aktuell also ein voller Erfolg für die SNB.
Wir zweifeln an der Aufwertung des Euro gegenüber dem australischen Dollar (AUD). Der Rückgang des AUD erklärt sich sowohl durch eine technische Umkehr (Überverkauf des Euro) als auch durch einen Rückgang bei den Rohstoffen (den wir als nicht nachhaltig einschätzen). Darüber hinaus dürfte das geldpolitische Gefälle zwischen der Eurozone und Australien mittelfristig ein unterstützendes Element für den AUD sein. Der Vorsitzende der Reserve Bank of Australia (RBA), Philip Lowe, hat unlängst angekündigt, dass die Zinsen um weitere 50 Basispunkte angehoben würden (eine von den FX-Analysten angekündigte Erhöhung um 75 Basispunkte sei seiner Meinung nach ausgeschlossen). Er geht davon aus, dass der Inflationsdruck noch lange (und zum Teil aufgrund von Lohnerhöhungen) hoch bleiben wird. Australien gehört (aufgrund der Immobilienblase) zu den Industrieländern, in denen das Risiko eines starken Konjunkturabschwungs am höchsten ist. Großbritannien ist das andere Land, das uns Sorgen bereitet. Allerdings gehen davon derzeit keine wirklichen Auswirkungen auf die Währungen aus.
Vergangene Woche hat der ungarische Forint gegenüber dem Euro einen neuen historischen Tiefstand erreicht. Der HUF hat zwei große interne Probleme: Viktor Orban und seine Zentralbank. Vor einem Jahr sind die Präventivmaßnahmen der ungarischen Zentralbank von allen Analysten begrüßt worden (sie war eine der wenigen Zentralbanken in Europa, die zu dieser Zeit klar darauf hingewiesen hat, dass die Inflation nicht nur vorübergehend ist). Doch seit ihrer Aktion war es nicht möglich, die Inflation einzudämmen und den Wechselkurs des HUF zu stützen. Fast jedes Mal, wenn der Zentralbankpräsident oder ein Minister über die Geldpolitik und/oder den Forint sprechen, gibt die nationale Währung nach. Die Zentralbank leidet unter einem Glaubwürdigkeitsproblem. Zu ihrer Entlastung: Die Aufgabe, die ihr bevorsteht, ist nicht einfach. Ungarn ist eine kleine offene Wirtschaft, die folglich von den internationalen wirtschaftlichen und finanziellen Schwankungen betroffen ist (dem Krieg in der Ukraine, den Rezessionsängsten in den USA). Hinzu kommt der Kampf zwischen Brüssel und Ungarn in Bezug auf die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit. Auf dem Spiel stehen Subventions- und Darlehenszahlungen in Höhe von 15,5 Mrd. EUR im Rahmen des Europäischen Konjunkturfonds (der während der Corona-Pandemie verabschiedet wurde). Viele Trader sorgen sich darüber, dass diese Gelder zumindest teilweise blockiert werden könnten, wenn Ungarn sich nicht dazu entschließt, Anstrengungen zur Einhaltung europäischer Standards in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit zu unternehmen. Vorerst scheint die Lage verfahren zu sein. Und das ist ein zusätzlicher Risikofaktor, der den HUF belastet. Viele Akteure auf dem Devisenmarkt haben in den letzten Wochen darauf hingewiesen, dass es sich um ein wirklich besorgniserregendes Problem handelt. Solange es andauert (und das gilt auch für das Glaubwürdigkeitsproblem der Zentralbank), steht eine anhaltende Abwertung des HUF zu befürchten.
Datum | Währung | Ereignis |
05/07 |
AUD | Sitzung der australischen Zentralbank |
07/07 |
USD | ADP-Bericht zum amerikanischen Arbeitsmarkt im Juni |
08/07 | USD | Bericht des amerikanischen Arbeitsministeriums zur Beschäftigungssituation im Juni |
13/07 |
USD | Verbraucherpreisindex (erste Schätzung für Juni) |
13/07 |
CAD | CAD Sitzung der kanadischen Zentralbank |
15/07 |
CNH | CNH BIP im zweiten Quartal |
19/07 |
EUR | EUR Verbraucherpreisindex (erste Schätzung für Juni) |
21/07 |
JPY | JPY Sitzung der japanischen Zentralbank |
21/07 |
EUR | EUR Sitzung der Europäischen Zentralbank |
26/07 |
HUF | HUF Sitzung der ungarischen Zentralbank |
27/07 |
USD | USD Sitzung der amerikanischen Zentralbank |